Hygieneverhalten contra Varroaverlust
(Detlev Biel) Liebe Imkerkollegen/-innen, in einer Zeit hoher Völkerverluste und einer weit verbreiteten Unsicherheit, wie die Völker zu behandeln sind, schaut so mancher Imker zu seinen Völkern und betet innerlich, dass seine Bienen den Winter überstehen und nicht den Varroa-Tod sterben! Wir können dieses gut nachvollziehen, obwohl es meistens nicht der direkte Tod durch die Milben ist, sondern unsere Bienen an den Sekundärfolgen der Varroamilben sterben.
Grundsätzlich muss man feststellen, dass unsere Völker einer stetigen Gefahr durch Viren und Bakterien ausgesetzt sind. Diese sind vielerorts ubiquitär (vorhanden), manchmal zufällig oder durch benachbarte Völker verstärkt. Auch können sie einen jahreszeitlichen Effekt haben. Man denke nur an die Amerikanische oder Europäische Faulbrut, Kalk-, Stein- oder Sachbrut, Nosema, Ruhr, Amöbenkrankheit. Wobei die Viren mit 18 verschiedenen Typen deutlich hervortreten. Aber alle Viren und Bakterien haben eines gemeinsam, sie müssen in den Körper der Bienen gelangen. Dieses kann über Futter, Amöben, Nosema apis oder Varroa geschehen. In der Biene vermehren sich diese Viren und Bakterien und die erkrankte Biene wird in der Folge zum „Herd“ der weiteren Infektionskette. In der Folge kann dieses Geschehen dann zum Untergang des ganzen Volkes führen.
So hat Dr. Christoph Otten vom Fachzentrum für Bienen und Imkerei in Mayen mit Hilfe des Bienenmonitorings eindeutig festgestellt: Je mehr Milben sich im Volk aufhalten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit des Völkerverlustes, da die Varroa, wenn sie an der Hämolymphe (dem Bienenblut) saugt, die vorhandenen Viren in die Biene einschleust und für die weitere Verbreitung sorgt. Diese Viren schädigen dann die Völker so stark, dass sie oft schon vor dem Winter u.a. am Flügeldeformations- oder Akuten-Bienen-Paralyse-Virus sterben.
Wenn man diese Feststellung weiterdenkt, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass eine deutliche Reduzierung geschädigter Bienen im Volk die Überlebenschancen des Volkes deutlich erhöht! Und an dieser Stelle setzen unsere züchterischen Aktivitäten an, denn unsere Drohnenlinie in 2019 zeichnet sich durch ein besonders ausgeprägtes Hygieneverhalten von mindestens 85% aus. Was bedeutet dieses? Die Bienen der Drohnenlinie erkennen in mindestens 85% der Fälle, wenn in einer Zelle die Brut erkrankt und/oder abgestorben ist. Dieses Verhalten ist entscheidend, wenn man die weitere Gesundheit eines Bienenvolkes betrachtet. Je früher eine abgestorbene Larve erkannt und ausgeräumt wird, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sich die in der toten Larve vorhandenen Viren oder Bakterien weiterentwickeln. So erreichen die Viren nicht mehr das Stadium der Sporenbildung, da sie schon vor dem Umwandlungsprozess aus dem Volk entfernt wurden. Somit sorgt dieses Hygieneverhalten für gesündere Völker und die Folgen eines Varroabefalls werden gelindert.
Dieses Hygieneverhalten sollte ein zentrales Zuchtziel aller weiteren imkerlichen Bemühungen sein. Besonders wenn man die Situation der Amerikanischen Faulbrut mit dem Erreger Eric II sieht, der sich in vielen Gebieten in Deutschland ausbreitet. Er zeigt sich nicht durch eine fadenziehende Masse der abgestorbenen Brut. Wohl aber stirbt die Brut. Wenn Bienen mit einem besonders ausgeprägten Hygieneverhalten große Teile der toten Brut entfernen, bevor sich die Viren weiter verbreiten, dann sollten uns Imkern im Idealfall Völkerverluste oder sogar Sperrbezirke erspart bleiben.
Zusätzlich zeigt die Drohnenlinie 2019 auch, dass die Bienen mit Varroa infizierte Zellen erkennen und diese häufig ausräumen. Wir sehen dieses immer wieder, wenn wir uns die Brutnester ansehen und dabei auf geöffnete Zellen stoßen, aus denen uns Bienen im Stadium der lila Augen anschauen. Also Bienen, die noch nicht die Schlupfreife erreicht haben. Die Bienen haben dann die Milben in der Zelle erkannt und sie geöffnet. Dieses Verhalten reicht, damit die Milben in der Zelle sich nicht weiterentwickeln und sie somit nicht geschlechtsreif werden. Teils entfernen die Bienen dann die Brut noch aus der Zelle, dieses ist aber nicht entscheidend. Entscheidend ist das Öffnen der Zelle, da nur in der verdeckelten Zelle die Metamorphose der Milbe abgeschlossen werden kann.
Wir freuen uns sehr über dieses Verhalten, welches als VSH-Verhalten beschrieben wird, wollen es aber nur als mögliche Zusatzeigenschaft/Leistung unserer Bienen sehen, denn um es in Zahlen zu bewerten, müssten alle Drohnenvölker zum gleichen Zeitpunkt mit einer standardisierten Zahl Milben infiziert werden und später müssten dann Brutzellen im großen Stil geöffnet und bewertet werden. Diese Arbeit ist bei der großen Anzahl an Drohnenvölkern, welche auf der Belegstelle und im Schutzgürtel stehen nicht leistbar. Wohl aber ist es uns möglich, das Hygieneverhalten bei allen Drohnenvölkern zu kontrollieren und nur selektierte Völker mit mindestens 85% Hygieneverhalten aufzustellen.
Interessant wird es, wenn es zu Anpaarungen mit Königinnen kommt, die ebenfalls über ein vergleichbares Hygieneverhalten verfügen. Entsprechende begattete Königinnen können Sie z.B. bei Detlev Biel, Friederike Brondke oder Dr. Peter Stöfen erwerben. Und wenn Sie selber ebenfalls sensibel auf das Hygieneverhalten ihrer Königinnen achten und nur Nachkommen von solchen Königinnen begatten lassen, unterstützen Sie die gesamte Imkerschaft bei Ihren Bemühungen, die Völker im Kampf gegen Viren und Bakterien nachhaltig zu unterstützen.